Bildungerechtigkeit und „Affirmative Action“ – ein philosophischer Annäherungsversuch

Prof. Dr. Matthias Kaufmann (MLU Halle-Wittenberg, Professur für Ethik)

Der Bologna-Prozess hat nicht nur die deutsche Hochschullandschaft grundlegend verändert und Lehrende wie Studierende an Universitäten und (Fach-)Hochschulen vor neue Herausforderungen gestellt, er wird auch vermehrt begleitet von der Forderung nach Gerechtigkeit im Kontext von Bildung und Hochschule. War in den siebziger Jahren im Gefolge der „68-Generation“ die Öffnung der Hochschulen ein überwiegend „linkes“ Projekt, so erfährt die gegenwärtige Öffnung verbal eine breite politische Unterstützung und wird von der Wirtschaft eingefordert. Diese Forderung nach Öffnung des Bildungssystems bedeutet für die Hochschulen auch eine angemessene Berücksichtigung der Vielfalt der Hochschulmitglieder. Der Vortrag wendet sich den Bemühungen zu, Gerechtigkeit, insbesondere Bildungsgerechtigkeit durch Maßnahmen im Sinne der „Affirmative Action“ als gezielte Förderung unterrepräsentierter Gruppen zu erreichen und beleuchtet die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, aber auch die theoretischen und praktischen Probleme.

ArbeiterKind.de: Von einem Internetportal zur bundesweiten Community für Studierende der ersten Generation

Vortragende: Katja Urbatsch (Gründerin und Geschäftsführerin von ArbeiterKind.de)

In Deutschland lässt sich die Wahrscheinlichkeit, ob ein Kind studieren wird, immer noch am Bildungsstand der Eltern ablesen. Laut der aktuellen 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) nehmen von 100 Akademikerkindern 77 ein Studium auf. Dagegen studieren von 100 Nicht-Akademikerkindern lediglich 23 obwohl doppelt so viele die Hochschulreife erreichen. Die finanzielle Belastung ist dabei nur einer von vielen Gründen, die diese Abiturienten von einem Studium abhalten. Aus eigener Erfahrung kennt Katja Urbatsch die Herausforderungen und Hürden, die junge Menschen bewältigen müssen, wenn Sie als erste in der Familie studieren möchten. Daher gründete Sie 2008 das Internetportal ArbeiterKind.de, das sich schnell zur bundesweiten Organisation mit heute 6.000 Ehrenamtlichen in 75 lokalen ArbeiterKind.de-Gruppen entwickelte. In Ihrem Vortrag spricht Sie über die Erfahrungen und Herausforderungen von Studierenden der ersten Generation an der Hochschule. Darüber berichtet Sie vom Aufbau und der Arbeit ihres gemeinnützigen Sozialunternehmens ArbeiterKind.de, das Schülerinnen und Schüler aus nicht-akademischen Familien durch ein bundesweites Netzwerk von ehrenamtlichen Vorbildern zum Studium ermutigt und auf dem Weg zur Hochschule sowie zum erfolgreichen Studienabschluss unterstützt.

Ausschluss durch Bildung? Soziale Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem

Vortragender: Prof. Dr. Kai Maaz (Universität Frankfurt a.M. / DIPF Berlin)

„Ungleichheit im Bildungssystem ist ein Stück sozialer Realität, Chancengleichheit ein normatives Postulat“. Zu dieser Einschätzung kam Heiner Meulemann Mitte der 1970er Jahre. Seit dem hat sich vieles im deutschen Bildungssystem verändert. Insbesondere nach den Befunden der ersten PISA-Studie ist auch das Thema der sozialen Ungleichheit wieder in der politischen, allgemeinen und wissenschaftlichen Öffentlichkeit präsent. Kein Befund scheint so stabil und zäh zu sein, wie die Kopplung der sozialen Herkunft an den Bildungserfolg. Oft bleiben die verwendeten Begriffe aber unscharf und ungeklärt und es werden zu schnell wertende Schlussfolgerungen gezogen. Der Vortrag möchte sich daher mit den zentralen Begriffen wie soziale Ungleichheit und Chancengerechtigkeit auseinandersetzen und sich mit der Frage beschäftigen, welche Erscheinungsformen es von sozialer Ungleichheit im Bildungssystem gibt, wo und wie sie entsteht und ob und unter welchen Gesichtspunkten Chancengerechtigkeit im Bildungssystem realisierbar ist. Dabei wird ein Überblick über die Erscheinungsformen in den unterschiedlichen Bildungsbereichen gegeben. Schließlich sollen Steuerungsmöglichkeiten zum Abbau sozialer Ungleichheiten diskutiert werden.