Am 15. Juni 2017 können Sie hier ab ca. 18:15 Uhr den Livestream der Podiumsdiskussion verfolgen. Sollte das hier eingebettete Video nicht funktionieren, können Sie sich den Livestream auch hier direkt auf Youtube anschauen. Wenn Sie Fragen an die Diskutierenden haben sollten, die wir vorbringen sollen, schreiben Sie uns einfach eine Email unter inklusion@stura.uni-halle.de. Wir möchten Sie hiermit auch noch einmal auf die Online-Petition des Arbeitskreis Inklusion hinweisen, in der wir uns für Barrierefreiheit an Hochschulen in Sachsen-Anhalt einsetzen.
Diskutierende
Dr. Petra Sitte (Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion “Die Linke“ im Bundestag)
Prof. Dr. Patrick Wagner (Behindertenbeauftragter des Senats der Martin-Luther-Universität)
Nadine Wettstein (blinde Doktorandin am IAMO Halle, Freie Dozentin und Beraterin für Inklusion)
Prof. Dr. Peer Pasternak (Direktor des Instituts für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität (HoF))
Dr. Ingo Barth (gehörloser Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik Halle)
Moderation
Hendrik Lange (Hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion “Die Linke” im Landtag von Sachsen-Anhalt, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt
Einführung in das Thema
Arbeitskreis Inklusion des Studierendenrates der MLU
Inhalte der Veranstaltung
Themen wie Inklusion, Diversität und Gleichstellung sind in den letzten Jahren zu politischen Schlagworten geworden, die man gern in den Mund nimmt, denen man aber selten Taten folgen lässt. Besonders Gleichstellung und Inklusion werden oft verengt. Meist setzt man sie entweder mit Geschlechterverhältnissen oder Behinderung gleich und legt sie somit auf ein sehr begrenztes Gebiet fest. Mit Inklusion ist aber – wenn man sie ernst nimmt – der Auftrag einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung verbunden. Eine Veränderung, die es allen Mitgliedern einer Gesellschaft unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Behinderung ermöglicht, aktiver Teil des Zusammenlebens zu sein (weiter Inklusionsbegriff). Gerade die 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention ermöglicht es in Deutschland – allen Hindernissen und Umsetzungsproblemen zum Trotz – die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen grundlegend umzugestalten hin zu mehr Fairness und Gerechtigkeit für alle. Ein Großteil der darin geforderten Maßnahmen, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu verbessern, lassen sich leicht verallgemeinern und auf andere Teile der Gesellschaft übertragen. So haben viele Menschen einen Gewinn von barrierefreien Gebäuden und Einrichtungen, wie auch von inklusiv und barrierefrei gestalteten Bildungsangeboten und Arbeitsplätzen. Beispielsweise sind flexible und für möglichst viele Menschen zugängliche Lehrformen für alle Lernenden von Vorteil. Gerade vor dem Hintergrund des lebenslangen Lernens gewinnen diese zunehmend an Bedeutung. Familien profitieren u.a. von der Rollstuhlrampe, wenn sie mit einem Kinderwagen oder älteren Angehörigen unterwegs sind. Ebenso profitieren Migrant_innen von Erklärungen und Dokumenten, die in „Einfacher“ oder „Leichter Sprache“ verfasst sind. Die Vermittlung von Brailleschrift und Gebärdensprache fördert die Sensibilität gegenüber anderen Formen von Kultur in unserer Mitte.
Wie sieht aber die Realität in Deutschland aus, insbesondere im Bereich der Bildung und im Arbeitsleben?
In Kindergärten, Grund-, Haupt- und Realschulen gibt es in den letzten Jahren eine vermehrte Auseinandersetzung mit Inklusion. Mehrheitlich setzt man sich dabei aber oft auf nur hypothetischer Grundlage mit Sinn und Zweck von Inklusionsklassen, gemeinsamen Lernen oder der Auflösung bzw. Erhaltung von Förderschulen auseinander, wobei Inklusion fast ausschließlich auf Behinderung begrenzt wird. Inwiefern dieses „enge“ Inklusionsverständnis Wiederhall und tatsächliche Anwendung in der schulischen Praxis findet, ist i.d.R. abhängig vom Gestaltungwillen der regierenden Parteien und den verantwortlichen Lehrer_innen in der Schule. Besonders im Bereich der gymnasialen Bildung und an den Hochschulen ist das Thema Inklusion, im engen wie im weiten Sinne, bis heute ein weitgehend unbekanntes Thema und wird nicht selten als äußere Einmischung und Störung des geregelten Ablaufs empfunden. Noch allzu oft wird der Nachteilausgleich als Besserstellung der „Schlechten und Dummen“ wahrgenommen, die in einer solche Einrichtung nichts zu suchen hätten. Bis heute sind viele soziale Gruppen von weiten Teilen des Arbeitslebens ausgeschlossen, da sie schon sehr früh im Bildungsverlauf aussortiert werden.
Gerade an Hochschulen ist man außerdem häufig davon überzeugt, dass eine inklusive Gestaltung und Organisation des Studiums und der Forschung für die Hochschule eine nicht zu bewältigende finanzielle Belastung darstelle. Der Glaube, inklusive Lehre strukturell zu verankern und die Arbeitsplätze für Studierende und Forscher_innen angemessen auszustatten würde die Hochschuletats finanziell überlasten, veranlasst die Hochschulleitungen immer wieder dazu, dem Thema wenig Beachtung zu schenken und gar nicht erst nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Beispielsweise werden in diesem Zusammenhang i.d.R. individuelle Einzellösungen vorgezogen, obwohl die strukturelle Veränderung auf lange Sicht meist kostengünstiger und nachhaltiger wäre, wenngleich sie individuelle Lösungen nicht in jedem Fall ersetzen kann. Darüber hinaus hätte die gesellschaftlich inklusive Gestaltung von Schule und Hochschule auch einen inklusiven Effekt auf das Arbeitsleben und die Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsverhältnissen. Fast kein promovierter Hochschulangehöriger hat ein Wissen oder eine Vorstellung von der Lebenswelt und -realität eines Arbeiters oder einer Behinderten und von den unsichtbaren Barrieren auf dem Weg des (Bildungs-)aufstiegs.
Die Politik, wie auch Bildungseinrichtungen und Hochschulen müssen hier mehr Verantwortung übernehmen. Besonders das Bildungswesen ist gefordert, da ihm eine besondere gesellschaftliche Stellung zugesprochen wird als Ort der (Aus-)Bildung, Forschung und Innovation. Diese Verantwortung muss sich auch in einer Auseinandersetzung damit wiederfinden, wie Inklusion in der eigenen Einrichtung zu verstehen und anzuwenden ist.
Die Podiumsdiskussion soll die Probleme und Potentiale von gesellschaftlicher Inklusion aufzeigen am Beispiel des Bildungs- und Hochschulsystems. Dabei soll darauf eingegangen werden, wie tradierte Vorstellungen und institutionelle Exklusion zusammenhängen, und Ansätze diskutiert werden, wie das deutsche Bildungssystem in Zukunft inklusiver gestaltet werden könnte.
Die Veranstaltung ist barrierearm, wird im Livestream aufgezeichnet und wird dann auf dieser Seite einsehbar sein. Gebärdensprachdolmetscher stehen zur Verfügung. Während der Ringvorlesung bieten wir eine kostenlose Kinderbetreuung. Wenn Sie diese in Anspruch nehmen wollen, melden Sie sich bitte unter dem Stichwort: „Podiumsdiskussion”, mit Angabe des Namens, des Alters Ihres Kindes und Ihrer Kontaktdaten, insbesondere einer Telefonnummer bis jeweils eine Woche vor der Veranstaltung per E-Mail bei familiengerechte-hochschule@uni-halle.