Lade Veranstaltungen

« Alle Veranstaltungen

  • Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.

„…berechenbare Karrierewege in der Wissenschaft? Oder wie wir lernen mussten, dass der wissenschaftliche Nachwuchs mit Kurzzeitverträgen verheizt wird“

22. April 2015 um 18:00 - 20:00

Um über die Themen Novellierung, arbeitsrechtliche Auswirkungen und arbeitnehmerfreundliche Anwendung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zu informieren und zu sprechen, laden die GEW-Hochschulgruppe und der Personalrat der Martin-Luther-Universität am Mittwoch 22. April 2015 um 18 Uhr in der Hörsaal 13 des Löwengebäudes ein. Es werden Sonja Staack (Referentin der GEW auf Bundesebene), Dr. Anke Habich (Juristin, Personalabteilung der MLU) und Bertolt Marquardt (Personalratsvorsitzender der MLU, GEW) Rede und Antwort stehen.

Nach nunmehr acht Jahren Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ist es Zeit, noch einmal einen Blick auf dessen Auswirkungen auf die Wissenschaftslandschaft zu werfen. Als das Gesetz im April 2007 eingeführt wurde, hieß es unter anderem, dass es die Grundlage für bessere Planbarkeit und flexiblere Arbeitsgestaltung für wissenschaftliche Mitarbeiter an deutschen Hochschulen garantieren werde. In den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen begrüßte man die Entscheidung und ging davon aus, dass das Gesetz nun endlich eine angemessene Grundlage für eine geregelte akademische Laufbahn bieten werde.

Schaut man hingegen auf die Praxis an den meisten deutschen Hochschulen, so kann man diesen Optimismus acht Jahre später beim besten Willen nicht aufrechterhalten. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz hat sich immer mehr zu einem Instrument entwickelt, die Arbeits- und Innovationskraft junger Mitarbeiter abzuschöpfen, ohne ihnen im Gegenzug eine sichere Zukunftsperspektive zu geben. Ein Instrument, mit dessen Hilfe Verträge von nahezu beliebiger Laufzeit und beinahe willkürlichem Arbeitsstundenumfang abgeschlossen werden können. Es muss für die Befristung nicht einmal ein Sachgrund vorliegen – selbst bei guter Arbeit des Wissenschaftlers / der Wissenschaftlerin und keinerlei wirtschaftlicher Notlage der Einrichtung werden oft Arbeitsverträge nicht verlängert. Dies gilt sowohl für Drittmittel- (wo es noch nachvollziehbar wäre) wie auch Haushaltsmittelanstellungen. Darüber hinaus ist auf Haushaltsstellen sowieso nach maximal zwölf Jahren wissenschaftlicher Tätigkeit in der Regel Schluss mit dem Forschen, wenn man es bis dahin nicht auf eine Professur geschafft hat. In Sachsen-Anhalt sieht die Befristungsregelung für die Promotionsphase eine maximale Befristung von drei plus einem Jahr vor, was aber die Regeldauer einer Promotion von etwa fünf Jahren weit unterschreitet. Es ist ebenso nicht mehr ungewöhnlich, für Projekte oder Teilprojekte Arbeitsverträge auszuloben, deren Laufzeit weit unter einem Jahr beträgt und die somit die eigentliche Projektlaufzeit weit unterschreiten. Die Promotion wird damit zur finanziellen Zerreißprobe für die Promovierenden.

Die Auswirkungen befristeter Arbeitsverhältnisse, die gerade den akademischen Nachwuchs betreffen, führen demnach nicht selten in eine sozial unsichere Zukunft. Oft ist kurz vor Auslaufen des alten Vertrages nicht abzusehen, ob am Monatsende eine Verlängerung oder noch einmal neuer Vertrag zustande kommen wird oder ob der Gang zum Arbeitsamt droht. Von den Arbeitgebern ist dann immer wieder zu hören, dass sich gerade in einem solchen Prozess und durch dieses Vorgehen die besten Kandidaten und Wissenschaftler durchsetzen und sich die Spreu vom Weizen trennen werde. Es mag sein, dass sich diese Vorstellung bei einer ausfinanzierten und gut situierten Universität als für alle gewinnbringend erweisen könnte.

Da es aber nun einmal gewöhnliche Praxis der Politik ist, bei finanziellen Engpässen den Rotstift an der Bildung und Wissenschaft anzusetzen, ist es vielmehr so, dass zu den kurzfristigen Arbeitsverhältnissen auch noch die immer größere Belastung der Lehrenden durch das Schrumpfen des akademischen Mittelbaus entsteht, was das Arbeiten in der Lehre und die wissenschaftliche Qualifikation zusätzlich erschwert.

Von Tenure-Track kann hier beileibe nicht mehr die Rede sein.

Ein weiterer Kritikpunkt am WissZeitVG ist die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf, die durch das Gesetz noch zementiert wird, ein Problem, das aus der nur halbherzig implementierten familienpolitischen Komponente resultiert. So sind die HochschulmitarbeiterInnen vor die Wahl gestellt: Familie oder Karriere. Es bietet aber kaum die Möglichkeit einer Karriere mit Familie. So ist es nicht verwunderlich, dass neuere Studien zur Zufriedenheit unter Hochschulmitarbeitern zu dem Ergebnis kommen, dass die Anzahl der Unzufriedenen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist und viele PostDocs eine Karriere in der Wirtschaft vorziehen. Ebenso verzeichnen die Krankenkassen an anderer Stelle einen kontinuierlich ansteigenden Krankenstand, auch ist Missbrauch von Aufputschmitteln bei Arbeitnehmern in unsicheren Arbeitsverhältnissen – wie es eine aktuelle DAK-Studie zeigt – auf dem Vormarsch.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat sich bereits seit einigen Jahren dieser Problematik angenommen und hat einen Reformvorschlag des WissZeitVG im Januar 2015 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die darin enthaltenen Veränderungsvorschläge sollen eine Entlastung für die Beschäftigten im akademischen Mittelbau und Planungssicherheit bieten. An zahlreichen Universitäten wird, wie auch an der Unsrigen, auf Betreiben der Personalräte mit den Hochschulleitungen an Bereuungsvereinbarungen zwischen Promovierenden und Betreuern, um einen Missbrauch des Gesetzes zu unterbinden. Auch die Politik hat auf die zunehmend schlechter werdenden Arbeitsbedingungen und auf den galoppierenden Zerfall des wissenschaftlichen Mittelbaus zu reagieren begonnen und auf Nachbesserungsbedarf hingewiesen.

Zu den wichtigsten Akteuren an den Universitäten gehören die Personalräte, die aktiv in die Gestaltung des Arbeitsumfeldes eingreifen und eine angemessene Anwendung des WissZeitVG sicherstellen können. Sie erarbeiten mit den Hochschulleitungen und Personalabteilungen Leitfäden für die angemessene Gestaltung von Arbeitsverträgen und Angestelltenverhältnissen, damit sich die Arbeitsbedingungen an der Hochschule verbessern bzw. grundlegende arbeitsrechtliche Normen eingehalten werden.

zur Seite der GEW-Hochschulgruppe

Details

Datum:
22. April 2015
Zeit:
18:00 - 20:00
Veranstaltungskategorie:

Veranstalter

GEW-Hochschulgruppe und der Personalrat der Martin-Luther-Universität